Interview mit Andreas Izquierdo über »Kein guter Mann«

02.11.2023

Lieber Andreas Izquierdo, wollten Sie schon einmal Gott spielen?
Wer wollte das nicht? Und viele gute Dinge tun, natürlich. Krieg beenden, Hunger, Leid, Ungerechtigkeit. Aber wäre das wirklich so leicht? Oder scheitert jeder gute Wille am Menschen selbst? Weil wir nun mal sind, wie wir sind. Ich fürchte, ich würde als Gott genauso scheitern wie mein Held Walter, obwohl er das offenkundig Richtige tut. Gegen uns Menschen scheint nicht mal der liebe Gott anzukommen. 

Ihr Protagonist Walter in Ihrem neuen Roman »Kein guter Mann« wurde ›aus Versehen‹ Gott. Wie kam es dazu und wie kamen Sie auf diese Idee?
Ich habe zufällig vom Christkindbüro gehört, also einer Filiale für Unzustellbares. Und ich dachte: Was wäre eigentlich, wenn ein Kind Briefe an den lieben Gott schicken und glauben würde, Gott würde sie wirklich beantworten. Als Autor wartest du darauf, dass deine Figuren zu dir kommen, damit du ihre Geschichte erzählen kannst. So war es auch bei Walter und Ben: plötzlich waren sie da und ich wusste, ich habe meine Helden gefunden.

Die Freundschaft zwischen Alt und Jung ist ein Thema, das in Ihrem Roman im Fokus steht. Was können verschiedene Generationen in Ihren Augen voneinander lernen? 
Ich glaube, dass wir verlernt haben, einander zuzuhören. Ohne Hysterie, ohne Wokeness, ohne Willen, die Meinung, manchmal sogar die Existenz, des anderen zu zerstören. Wir sollten andere Argumente wieder respektieren, selbst wenn wir sie nicht teilen. Wir brauchen Dialog und Versöhnung. 

Sind einzelne Figuren aus »Kein guter Mann« von Menschen, die Sie kennen, inspiriert?
Ich recherchiere viel. Lasse mir viel erzählen und wenn mir davon etwas gefällt, dann nehme ich es auf. Menschen in meiner mittelbaren oder unmittelbaren Umgebung können aber beruhigt sein: niemand dient als Vorlage für eine Figur. ;-)

Ihre historische »Wege der Zeit«-Reihe umfasst die Bände »Schatten der Welt«, »Revolution der Träume« und »Labyrinth der Freiheit« und spielt Anfang des 20. Jahrhunderts. Jetzt haben Sie sich dazu entschieden, wieder in der Gegenwart zu schreiben. Obwohl die Geschichte »Kein guter Mann« märchenhaft zeitlos erscheint. Oder wie würden Sie es beschreiben?
Ein bisschen Historie ist schon dabei. Die 70er und 80er Jahre. Zeitlos wird es vielleicht, weil die Themen, die bespielt werden – Schuld und Vergebung – zeitlos sind. Sie könnten überall spielen, auf jedem Punkt unserer Erde. Weil jeder schon Schuld gefühlt und hoffentlich auch Vergebung erlebt hat. 

Die Postfiliale in Engelskirchen haben Sie bereits angesprochen. Sie spielt eine große Rolle in Ihrem Roman. Dort beginnt jetzt wieder die heiße Phase und das Christkind erhält Tausende Briefe mit Weihnachtswünschen. Was ist Ihr Weihnachtswunsch?
Mehr Toleranz. Denn Toleranz bedeutet nicht, etwas durchzuwinken, was einem vollkommen egal ist, sondern auszuhalten, was einen stört. Die meisten verwechseln das. Niemand macht alles richtig. Niemand ist immer im Recht. Vor allem man selbst nicht. Vergeben und um Vergebung bitten stünde uns allen gut zu Gesicht. Es würde viel verändern.

© Niklas Berg

ZUGEHÖRIGE TITEL

Andreas Izquierdo

ANDREAS IZQUIERDO ist Schriftsteller und Drehbuchautor. Er veröffentlichte den mit dem Sir-Walter-Scott-Preis ausgezeichneten historischen Roman...
ANDREAS IZQUIERDO ist Schriftsteller und Drehbuchautor. Er veröffentlichte den mit dem Sir-Walter-Scott-Preis ausgezeichneten historischen Roman ›König von Albanien‹ (Neuausgabe DuMont 2024) und zahlreiche weitere Romane, u. a. den SPIEGEL-Bestseller ›Der Club der Traumtänzer‹ (2014) und ›Fräulein Hedy träumt vom Fliegen‹ (2018). Zuletzt erschien die ›Wege der Zeit‹-Trilogie, die die Bände ›Schatten der Welt‹ (2020), ›Revolution der Träume‹ (2021) und ›Labyrinth der Freiheit‹ (2022) umfasst....

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