REZENSION – Alles Leben kommt aus dem Wasser. Vielleicht spielt deshalb das Wasser immer wieder eine gewichtige Rolle in den so lebensnahen Werken des preisgekrönten deutschen Schriftstellers John von Düffel (54). „Vom Wasser“ (1998), „Schwimmen“ (2000) und „Wassererzählungen“ (2014) zeigen dies in ihren Titeln. Aber auch in „Houwelandt“ (2004) zieht es den Patriarchen ans Meer als wichtigstes Lebenselixier, und sogar John von Düffels Vortragssammlung „Wovon ich schreibe“ (2009) zeigt ihn selbst als Schwimmer bis zum Hals im Wasser. Auch sein neuester Roman „Der brennende See“ zeigt im Zusammenhang mit dem Klimawandel wieder das Wasser als teils verbindendes, teils trennendes Element im Generationenkonflikt zwischen den Protagonisten.
Hannah, Tochter eines kürzlich verstorbenen Schriftstellers, kehrt in die Stadt ihrer Kindheit zurück und findet bei der Wohnungsauflösung am Totenbett das Foto einer ihr unbekannten jungen Frau. Es ist die Gymnasiastin Julia, Tochter der früheren Schulfreundin Vivien. Hannah muss feststellen, dass die junge Umweltaktivistin beim alternden Vater ihre Stelle als Ersatztochter eingenommen hatte und beide sich – der eine literarisch, die andere im Straßenkampf – sich dem Umweltschutz verschrieben hatten, vor allem dem Erhalt des in einer Kiesgrube entstandenen Natursees. Diesen See nicht wie von der Stadt geplant in eine Müllhalde zu verwandeln, ist auch Matthias und Viviens Bestreben. Doch der Einsatz des Ehepaares für den See ist nur vorgeschoben, geht es beiden doch in erster Linie um ihr am See-Ufer noch im Bau befindliches Seniorenheim. Am Rande einer Müllhalde wäre ihr Projekt zum Scheitern verurteilt und das bereits investierte Geld verloren.
„Der brennende See“ zeigt einerseits in der Person Hannahs das gleichgültige Desinteresse vieler Menschen an ihrer Umwelt, andererseits in den Bauherren Matthias und Vivien deren Egoismus und gewinnorientierte Ausbeutung der Natur. Die Gymnasiastin Julia steht in John von Düffels Roman für die nächste Generation, die unter den verheerenden Folgen des von früheren Generationen zu verantwortenden Klimawandels konkret zu leiden haben wird, wie es der Autor in seinen die Kapitel einführenden, sich zum Schluss dramatisch steigernden Wetterberichten zeigt. Es geht in diesem Roman letztlich um die verheerenden Hinterlassenschaften der einen und das Umwelterbe für die nächsten Generation, die nicht einfach, wie Hannah es mit der materiellen Hinterlassenschaft ihres Vaters macht, dieses Erbe verweigern und sich eine neue Welt suchen kann.
Klimawandel und Umweltschutz geben verständlicherweise jedem zeitgenössischen Roman in seiner Kernaussage eine vorbestimmte Einseitigkeit. Welcher Schriftsteller will sich schon nachsagen lassen, nicht frühzeitig in seinem Werk seine Leser vor den Langzeitgefahren des menschlichen Raubbaues an der Natur gewarnt zu haben. Dies nimmt dann allerdings auch dem Leser des Romans „Der brennende See“ eine gewisse Dramatik. Dessen ungeachtet bleibt John von Düffels aktuelles Buch ein lesenswerter Roman, gelingt es ihm doch, die einerseits verlorene Dramatik durch ein spannendes Beziehungsgeflecht seiner menschlich so verschiedenen, überaus interessanten Charaktere mehr als zu ersetzen. Hinzu kommt, dass der angenehme, warmherzige Sprachstil des Autors und die starke Empathie für seine charakterlich so unterschiedlichen Figuren die Lektüre seines neuesten Romans zu einem literarischen Genuss machen.